Darum ist Kunststoff ein nachhaltiger Werkstoff
Mehr zur Rolle von Hightech-Kunststoffen für die Mobilität von morgen
„Ein Deponieverbot für Kunststoffabfälle führt nachweisbar zu drastisch höheren Verwertungsquoten.“ Rüdiger Baunemann ist Hauptgeschäftsführer und Regional Director Central Europe von PlasticsEurope.
Welche Schritte halten Sie für förderlich, um Plastikmüll einzudämmen? Wie stehen Sie beispielsweise zum EU-Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft?
Die EU-Aktivitäten würdigen, wie wichtig Kunststoffe in unserer Gesellschaft sind. Wir stimmen mit der EU vollkommen darin überein, dass Kunststoffabfälle in der Umwelt nichts zu suchen haben. Um hier zu Lösungen zu kommen, brauchen wir das Zusammenwirken aller Akteure entlang der Wertschöpfungskette vom Hersteller bis zum Verbraucher. Das Thema ist bereits in der Breite angekommen, nicht nur in der Chemieindustrie, sondern auch bei Verarbeitern, Markenartiklern, dem Handel und in der Recyclingwirtschaft. Das Vorgehen gegen Einwegplastik wie bei Wattestäbchen betrachten wir eher als Symbolpolitik für die Verbraucher. Schön wäre es, wenn die Politik zu einem Bewusstseinswandel weg von der Wegwerfkultur führte, weil sie sich an den meistgefundenen Plastikartikeln orientiert. Doch die Ersatzprodukte, etwa für Plastiktüten, sind nicht unbedingt umweltfreundlicher. Und gerade im Bereich der Lebensmittelverpackung dient Kunststoff ja dem Schutz von Nahrungsmitteln, die sonst schneller verderben würden.
Welcher Hebel wäre besonders effektiv?
Zentral ist ein europäisches Verbot, Kunststoffabfälle zu deponieren. Das führt nachweisbar zu drastisch höheren Verwertungsquoten. Zudem muss der Export von Abfällen besser reguliert werden. Kunststoffabfälle dürfen nicht irgendwo auftauchen, wo es keine Kapazitäten für deren Aufbereitung gibt. Europa trägt im Übrigen zur Umweltverschmutzung durch Plastikmüll nur in relativ geringem Maße bei. Wenn wir aber hier gute Lösungen entwickeln, können wir andere Regionen darin unterstützen, das Problem in den Griff zu bekommen. Auf den G-7- und G-20-Ebenen hat die Bundesregierung hierzu bereits konstruktive Vorstöße unternommen.
Halten Sie einen bestimmten Verwertungsweg für besonders vielversprechend?
Kunststoff lässt sich problemlos mehrfach verwenden, unter anderem als Mehrwegflasche. Er lässt sich zudem werkstofflich verwerten wie PET-Flaschen, die zu 100 Prozent zu neuen PET-Flaschen verarbeitet werden. Oder er wird in seine chemischen Bestandteile zerlegt, aus denen identische Kunststoffe mit Neuwarequalität entstehen – Verfahren, die seit Jahrzehnten bekannt, aber nur unter bestimmten Rahmenbedingungen wirtschaftlich sind. Nicht zuletzt steht die thermische Verwertung zur Verfügung. Sie ist vor dem Hintergrund interessant, dass rund 80 Prozent des Rohöls zur Verbrennung genutzt werden. Diese Vielzahl von Verwertungswegen gibt es nur bei Kunststoff. Jeder davon hat noch Potenzial.
Wie lassen sich Zielkonflikte beim Thema Recycling lösen?
Die EU-Politik reguliert Produkte, Chemikalien und Abfall, und dies nicht immer auf konsistente Weise. So können zahlreiche Kunststoffprodukte recycelt werden, doch einige enthalten Stoffe, die zwischenzeitlich nicht mehr eingesetzt werden. In solchen Fällen wünschen wir uns eine pragmatische Handhabung, um trotz kritischer Zusatzstoffe den Kunststoff dennoch recyceln zu können – in geschlossenen Stoffkreisläufen. Auch ist der Einsatz von Rezyklaten für Lebensmittelverpackungen hoch reguliert und schwer umzusetzen – da fehlen derzeit noch Lösungen.
Was erwarten Sie von den Akteuren im Bereich Industriekunststoffrecycling?
Sie sollen neue Konzepte für Kunststoffanwendungen entwickeln und dabei die Verwertbarkeit weit oben auf die Agenda setzen. Das kann je nach Anwendung den Abschied von Einwegverpackungen, Mehrschichtverbundmaterialien oder den Einsatz von besser geeigneten Additiven bedeuten. Ich vertraue hier auf die Kreativität und Innovationsfähigkeit der Akteure.
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