Was uns bewegt – Die große Serie über Lebensqualität und warum Chemie im Alltag unersetzlich ist
Weichmacher, Flammschutzmittel, Insektenschutz: Das klingt nach Chemie pur. Aber wie so häufig im Leben lohnt der Blick ins Detail. Über Chemie im Alltag und den feinen Unterschied.
Wieso, weshalb, warum Chemie nicht gleich Chemie ist
Warum fängt ein Mixer nicht unmittelbar an zu brennen, wenn es einen Kurzschluss gibt? Weshalb sind im Spielzeug Weichmacher enthalten? Wie schützt ein Desinfektionsmittel vor Bakterien und Viren? Antworten auf die Fragen gibt die Chemie, und eines wird klar: Chemie ist im Alltag allgegenwärtig. Aber wie groß ist das Wissen über die chemischen Substanzen, die in den Produkten des täglichen Lebens enthalten sind?
Zum Beispiel über Weichmacher. Sie sind im Elektrokabel, dem Gartenschlauch, in Verpackungsfolien aus Vinyl, in Spielzeugartikeln und vielem mehr zu finden. Ihre Aufgabe: Sie erhöhen die Elastizität von Kunststoffen und Kautschuken. Dabei wirken sie wie ein Schmiermittel zwischen den einzelnen Kunststoffmolekülen. Ohne Weichmacher wären der Gartenschlauch steif wie ein Spazierstock und Spielzeuge spröde und brüchig.
Weichmacher brauchen keine Phthalate
Allerdings ist Weichmacher nicht gleich Weichmacher. Es gibt verschiedene Arten. Besonders zahlreich und ebenso umstritten sind Phthalate. Ihr Nachteil: Sie sind nicht festgebunden und gehen etwa bei Kontakt mit Fetten und Ölen in diese Materialien über. Die niedermolekularen Phthalate stehen in Verdacht, fruchtschädigend zu sein. Dennoch stammen aktuell mehr als 70 Prozent der Weichmacher auf dem Markt aus dieser Stoffgruppe. Denn Phthalate sind vielfältig einsetzbar und günstig. Weichmacher müssen aber nicht zwingend Phthalate enthalten, weiß Karsten Job, der beim Spezialchemiekonzern LANXESS das Geschäftsfeld Polymer Additives leitet. „Die Chemieindustrie bietet eine Reihe phthalatfreier Alternativen, beispielsweise auf Basis von Alkansulfonsäureestern.“

Verbraucher, aufgepasst!
Beim Einkauf von Spielwaren, Möbeln, Elektrogeräten und anderen Haushaltsartikeln lohnt der Blick auf die Prüf- und Gütesiegel, um sicherzugehen, dass die Produkte anerkannte Sicherheits- und Umweltstandards einhalten.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat eine Übersicht über die gängigsten Prüf- und Gütesiegel zusammengestellt.
Verborgene Lebensretter: Damit die Feuerwehr nicht ausrücken muss
Balance zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen zu finden ist ein Generalanspruch der heutigen Gesellschaft. Nachhaltigkeit lautet das Güteversprechen. Es ist verknüpft mit dem Anspruch an Sicherheit. Dass Produkte die Kriterien Ökologie, Ökonomie und Sicherheit erfüllen, dazu trägt auch die Chemie entscheidend bei.
Beispiel Flammschutzmittel. Sie werden gern als verborgene Lebensretter bezeichnet. Denn ob in einer Kabelummantelung, im Teppich oder in Polstermöbeln Flammschutzmittel enthalten sind, sieht man den Produkten nicht an. Im Brandfall verhindern die Zusätze allerdings, dass sich kleine Entstehungsbrände, etwa durch einen Kurzschluss ausgelöst, in Windeseile in einen Flächenbrand verwandeln. Und das passiert nicht selten: Jeder dritte Brand im Haushalt wird durch Elektrogeräte verursacht. Das hat das Kieler Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer in einer Erhebung von Bränden mit zunächst unklarer Ursache herausgefunden.
• Alle 2–3 Minuten brennt es in einer deutschen Wohnung.
• Die Feuerwehr wird zu jedem 4. Brand gerufen.
• Meist brennt es zwischen 18 und 19 Uhr.
Vor allem defekte Geräte, eine Überhitzung der Kabel und Kurzschlüsse verursachen Brände. „Der Brandschutz vieler Produkte wird meist für selbstverständlich gehalten“, meint Kasturirangan Kannah, zuständig für Product Advocacy im Geschäftsbereich für Additive bei LANXESS. „In hochwertigen Elektrogeräten sind in der Regel auch hochwertige Flammschutzmittel verarbeitet, und die erfüllen strenge Richtlinien.“
Während manche Flammschutzmittel bei Hitzeeinwirkung eine Schutzschicht bilden, wirken andere direkt auf die Flammen ein und bringen sie zum Verlöschen. „Die Wirkweise von Flammschutzmitteln ist so vielfältig wie ihre Einsatzgebiete“, erklärt Kannah. „Entscheidend ist, dass sie den Verbrennungsprozess verzögern und zugleich eine geringe Toxizität und günstige Umweltbilanz aufweisen. Brandschutzstandards für Gebäude und im Automobil- sowie Elektronikbereich treiben die Weiterentwicklung dieser nachhaltigen Flammschutzmittel voran.“

Sicher geschützt: Wo sich chemische Desinfektionsmittel lohnen
Sicher geschützt: Wo sich chemische Desinfektionsmittel lohnen
Nicht alle Hilfsmittel aus dem Chemielabor agieren im Verborgenen. Im Bereich der Hygiene und Prävention ist die chemische Herkunft offensichtlich. Zum Beispiel Desinfektionsmittel. In medizinischen Einrichtungen und im öffentlichen Bereich gehören sie mittlerweile zum festen Inventar. Desinfektionsmittel verändern im Wesentlichen die eiweißartigen Strukturen der Mikroorganismen und zerstören sie damit. Im Krankenhaus, im Büro, an der Tankstelle oder im Restaurant nach dem Händewaschen noch schnell die Hände desinfizieren zum Schutz vor Ansteckung mit krankheitserregenden Keimen. Im Haushalt ist es dagegen für gewöhnlich nicht notwendig, starke Desinfektionsmittel einzusetzen.
Anders in der Landwirtschaft. Im Stall ist eine gehobene Hygiene das A und O, um die Gesundheit von Tier und Mensch zu gewährleisten. In der Stallhygiene müssen die Mittel zur Desinfektion je nach Einsatzgebiet abgewogen werden. Desinfektionsmittel auf Basis von Sauerstoffabspaltern eignen sich, um im Rahmen der allgemeinen Desinfektion wirksam Viren und Bakterien abzutöten. Um gegen Parasiten wie Kokzidien vorzugehen, werden hingegen phenolische Wirkstoffe verwendet. „Sobald Ausbrüche von hochansteckenden Krankheiten gemeldet werden, wie die der Vogelgrippe oder der Afrikanischen Schweinepest, müssen Landwirte erhöhte Maßnahmen zur Biosicherheit ergreifen. Dabei ist es wichtig, dass ein Desinfektionsmittel zum Einsatz kommt, das gegen diese Erreger nachgewiesenermaßen wirksam ist“, erklärt Bettina Blottko, die bei LANXESS im Bereich Materialschutz tätig ist.

Keine Lust auf Mückenstiche: Ohne Chemie geht es nicht
Wenn es um Prävention und eine schnelle Wirksamkeit geht, sind chemische Produkte ebenfalls die bevorzugte Wahl. Mückengeplagte können ein Lied davon singen. Ätherische Öle aus Lavendel, Citronella oder Melisse riechen zwar intensiv, helfen aber nur bedingt. Denn jede menschliche Haut reagiert anders, weshalb die Wirksamkeit der natürlichen Hausmittel sehr individuell ist. Zu dem Ergebnis kam 2017 auch die Stiftung Warentest in ihrer Untersuchung von 14 verschiedenen Insektenabwehrmitteln.
Im Allgemeinen gibt es zwei Wirkstoffe, die nachweislich ein zuverlässiger Insektenschutz sind. Das ist DEET (Diethyltoluamid) auf der einen Seite und Icaridin auf der anderen. Ein wesentliches Unterscheidungskriterium beider Repellents ist laut Stiftung Warentest ihre Verträglichkeit. So attestieren die Tester Icaridin eine bessere Verträglichkeit als DEET. Auch gegenüber Kunststoffen. Kommen Sonnenbrillen oder Fitness-Armbänder mit dem Repellent in Kontakt, werden sie laut Stiftung Warentest durch DEET angegriffen, durch Icaridin aber nicht.
Chemische Produkte sind aus dem Alltag nicht wegzudenken. Das wollen die Verbraucher auch nicht. Zwei Drittel der Deutschen vertrauen überwiegend der Chemiebranche, wie eine Umfrage des Chemieverbands VCI im Juni 2017 ergab. Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem vielfachen Konsumentenwunsch nach Nachhaltigkeit und ökologisch unbedenklichen Produkten.
Entscheidend ist der genaue Blick auf die Inhaltsstoffe. Hier gewinnt wie so oft, wer auf Qualität setzt. Auch wenn sie ihren Preis hat.